Polizei, Strafverfolgung und ein besonderer Paragraf

Über die jahrzehntelange Verfolgung Homosexueller in Deutschland

Der Paragraf 175 schränkte das Leben homosexueller Menschen jahrzehntelang maßgeblich ein. Erst seit dem 11. Juni 1994 wurde er abgeschafft, sodass er insgesamt 123 Jahre existierte Der Polizeiapparat sorgte für die Einhaltung dessen und ging gegen Regelverstöße heftig vor. Daher wird der folgende Beitrag beim ehemaligen Polizeirevier Schwäbisch Gmünd verortet.

Der Paragraf 175 des deutschen Strafgesetzbuches stammt ursprünglich aus dem Jahr 1871.

»Die widernatürliche Unzucht,
welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder
von Menschen mit Thieren
begangen wird ist mit
Gefängniß zu bestrafen; auch
kann auf Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte
erkannt werden.«
(1871-1935)

 1935 wurde der Paragraf maßgeblich verschärft.

»Ein Mann, der mit einem
anderen Mann Unzucht treibt
oder sich von ihm zur Unzucht
mißbrauchen läßt, wird mit
Gefängnis bestraft.«
[…]
(1935-1969)

Circa 50.000 Menschen wurden zwischen 1935 und 1945 auf Grundlage des Paragrafen verurteilt, und während des Nationalsozialismus oftmals in Konzentrationslager deportiert und ermordet. Straffrei wurden einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Männern über 21 Jahre erst nach der Reformierung des Strafgesetzbuches 1969. In der DDR wurde der Paragraf 175 schon 1969 gestrichen. Nach der Wiedervereinigung und der Diskussion, ob der Paragraf 175 nun auch auf die östlichen Länder ausgeweitet werden soll, fiel er 1994 weg.

Der Paragraf 175 verursachte Furcht vor Verurteilungen und die Folgen dieser.

Die Polizei bespitzelten homosexuelle Menschen an bekannten Treffpunkten oder auf gezielte Denunziationen aus der Bevölkerung hin auch in ihrem alltäglichen Leben, mit schwerwiegenden und teils tödlichen Folgen. Viele Menschen versuchten ihre sexuelle und romantische Orientierung daraufhin an die Heteronormativität anzupassen und heterosexuell zu leben, um nicht aufzufallen. Der soziale und politische Druck war enorm, sodass für viele der letzte Ausweg der Selbstmord war.

Seit 2017 gibt es die Möglichkeit einen Antrag auf Entschädigung und Rehabilitierung zu beantragen. Auch die »Ehe für Alle« ist in Deutschland seit diesem Jahr möglich

»Wir haben diese Errungenschaften noch nicht lange.«
Richard Arnold, Gmünder Tagespost 17.05.2018

Das Grundrecht der sexuellen Selbstbestimmung sei noch nicht selbstverständlich, so der Gmünder Oberbürgermeister Richard Arnold am Internationalen Tag gegen Homophobie 2018.  Mittlerweile gibt es in Schwäbisch Gmünd die »Rainbow Refugees«. Ein Projekt der Gmünder AIDS-Hilfe. Menschen aus der ganzen Welt fliehen aus Ländern mit patriarchalen und heteronormativen Strukturen, um in Schwäbisch Gmünd ein neues und sicheres Leben anzufangen. Strafverfolgungen und Diskriminierung führen oftmals zu Traumata und Identitätsverlust. Die Gmünder Gemeinschaftsunterkunft der »Rainbow Refugees« bietet Schutz für Menschen, die unter diesen Folgen leiden. Aber auch in Schwäbisch Gmünd kommt es noch zu rassistischen und homophoben Anfeindungen.

»Diese Angriffe dürfen wir nicht verharmlosen.«
Richard Arnold, Gmünder Tagespost 17.05.2018

Für Personen der LSBTTIQ*Community ist die Chance auf ein unbeschwertes Leben ohne Vorurteile und der Möglichkeit auf freie Entfaltung zwar größer, das Ziel ist allerdings auch 2023 noch lange nicht erreicht.

Literaturverzeichnis
> Paragraph 175 StGB: Verbot von Homosexualität in Deutschland, in: LSVD – Lesben und Schwulenverband, https://www.lsvd.de/de/ct/1022-Paragraph-175-StGB-Verbot-von-Homosexualitaet-in-Deutschland, (Abruf: 27:04.2024).
> Schwartz, Michael (Hrsg.): Homosexuelle im Nationalsozialismus. Neue Forschungsperspektiven zu Lebenssituationen von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen 1933 bis 1945, Zeitgeschichte im Gespräch, Band 18, München 2014.

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